top of page

Persönliche (sportliche) Grenzen – aktueller Trend irgendwo zwischen Faszination und Obsession


Grenzen kennenlernen – Grenzen auslohten - Grenzen bezwingen – Grenzen verschieben...

Gerade im Ultra- und Extremsport ist das Thema «Grenzen» und «Grenzen verschieben» gefühlt omnipräsent. Kaum ein Zeitungsartikel oder Bericht über entsprechende Athlet:innen in denen diese Themen nicht angesprochen werden – egal ob im Profi-, Leistungs- oder Hobby-Sport. Das Grenzen verschieben zu wollen hat schon seit einer Weile seinen Weg auch in die Businesswelt gefunden. Immer öfter ist bspw. auch in Post auf Plattformen wie LinkedIn davon die Rede, dass ein Team oder Vorgesetze auf die eine oder andere Art Grenzen verschieben wollen. Mittlerweile erscheint mir das Thema mehr als eine Obsession als eine Faszination.


 

Seit nunmehr gut einem Jahrzehnt habe ich mich dem Ultra- und Extremsport gewidmet und mit dem Thema «Grenzen» habe ich mich während vielen Jahren nie bewusst auseinandergesetzt. Ich habe mir sportliche Ziele gesetzt rein auf Basis meines Interesses am Wettkampf. Weil er mich interessiert hat, ein tolles Format war oder durch eine schöne Gegend geführt hat. Mit meinem langjährigen Coach habe ich besprochen, was ich an Training investieren muss, um eine reale Chance zu haben den Wettkampf auch zu bewältigen und das Ziel zu erreichen. Es gab und gibt Wettkämpfe, die mich zwar interessieren, ich aber den Aufwand nicht aufbringen möchte oder könnte, um seriös dafür zu trainieren damit es ein realistisches Ziel bleibt.

 

Nachdem ich schon einige Jahre im Ultrasport aktiv war, erschienen mit der Zeit immer mehr Berichte und Interviews in denen Sportler:innen von Grenzen gesprochen haben und diese verschieben zu wollen. Kürzlich wurde ich für ein Interview zum Thema «Rekorde und Grenzen» angefragt und war damit plötzlich direkt mit dem Thema konfrontiert und musste mir natürlich auch überlegen, wie ich dazu stehe. Das Gespräch hat mittlerweile stattgefunden und war sehr interessant. Es hat mich auch dazu gebraucht, nochmals genauer über meine eigene Haltung und Gedanken zu reflektieren. Und das Thema differenzierter zu betrachten als ich dies bis anhin vermutlich gemacht habe.



 

Grenzen über die Jahrhunderte: Basis für Fortschritte und Errungenschaften

Das Streben nach Grenzen und diese zu verschieben, scheint eine Art Grundbedürfnis der Menschen zu sein von dem wir schon seit jeher fasziniert zu sein scheinen. Ehrlicherweise muss ich eingestehen, dass Fortschritte und Entwicklungsschritte in der Menschheitsgeschichte unter anderem durch diesen Pioniergeist erst möglich waren. Und weil Menschen bestehende Grenzen oder Limiten nicht akzeptieren wollten. Davon profitieren schlussendlich wir alle.


 

Grenzen in der heutigen Zeit

Sicherlich ist es nach wie vor in bestimmten Bereichen sinnvoll Grenzen zu hinterfragen und zu testen, bspw. in der Wissenschaft, Medizin, Technik, etc. Wobei dazu vielleicht neue Grenzen hinterfragt werden sollten, gerade auch was ethische Überlegungen betrifft.

 

Was aber den allgemeinen Sport, oder allgemein das Businessleben betrifft, hat sich aus meiner persönlichen Sicht das Thema Grenzen von Neugierde und Faszination zu einer Obsession der Selbstverwirklichung und vielleicht auch Rivalität und Zugehörigkeit verändert. Und ich frage mich, ob sich die Menschen, die danach streben Grenzen zu verschieben, wissen, wieso sie dies tun möchten oder ob viele einfach einem Trend folgen? Oder ob weitere Überlegungen die Basis sind, wie bspw. «inspirieren» zu wollen. Scheinbar ein weiterer Trend unserer Zeit und ein Thema, das ich ebenfalls nicht nur als positiv betrachte.


 
Sinnvolle und weniger sinnvolle Inspiration

Aktuell scheint es absolut «in» zu sein einen Marathon zu laufen. Teils mit guter, seriöser Vorbereitung. Teils mit fragwürdiger oder unzureichender Vorbereitung. Diese nutzen gewiefte Menschen als vermeintlich großartige Story, die inspirieren soll. Wenn dann Rahmenbedingungen untertrieben und das Grenzerlebnis übertrieben wird, und Menschen ohne Reflexion solchen Zielen nacheifern, dann wird es aus meiner Sicht ungesund, fragwürdig oder sogar gefährlich.


 

Inspiration vs. Demotivation / Frustration

Wie viele Menschen lassen sich wirklich inspirieren und beginnen etwas, das sie ohne Inspiration nicht gestartet oder geschafft hätten? Sicherlich gibt es diesen Effekt und positive Vorbilder sind gerade für Kinder und Jugendliche sehr wichtig. Dies stelle ich nicht in Frage. Ich stelle die Motive und Seriosität derjenigen Menschen in Frage die mit einer verzerrten Darstellung der Wirklichkeit und auf vorgespielten Tatsachen andere Menschen zu inspirieren versuchen. Menschen, die unter- oder übertreiben, nur um den Inspirationsfaktor zu steigern.

 

Welche Menschen lassen sich wirklich von anderen Menschen inspirieren? Sind es nicht sowieso diejenigen Menschen, die bereits zu einem bestimmten Grad intrinsisch motiviert sind und es einfach noch den letzten Anstoss braucht, um in die Handlung zu kommen?

 

Wie viele Menschen sind ob dieser (zT. übertriebenen oder unwahren) inspirierenden Geschichten schlussendlich deprimiert, demotiviert und frustriert? Was machen diese Geschichten die vor allem auf den sozialen Medien gefühlt omnipräsent sind mit Menschen, wenn sie nicht inspiriert sind? Welchen Schaden oder welche Probleme kann das auch verursachen und profitieren schlussendlich mehr Menschen von diesen Stories als Menschen «Schaden» nehmen und schlimmstenfalls krank werden? Hier wären wir dann auch beim Thema "Grenzen" angekommen und zwar beim gesunden "abgrenzen".


 

Über die Grenzen gehen - Rahmenbedingungen

Wie es ist, wenn Menschen über ihre Grenzen hinausgehen, konnten Sport- und besonders Triathlon-Fans kürzlich lesen und sehen, als die beiden führenden Triathletinnen bei der Ironman WM auf Hawaii das Rennen kurz vor Schluss aufgeben mussten. Weil sie über ihre Grenzen gingen – zu früh, zu stark, zu lange, etc.

 

Und ja, wenn Menschen nicht nur an, sondern über ihre Grenzen gehen, kann es gefährlich, sogar lebensgefährlich werden. Profi-Athletinnen wie die beiden Triathletinnen sind immerhin im Training und auch im Wettkampf betreut und überwacht. Einerseits von Profis, wie Ärzten, andererseits auch durch die heute zur Verfügung stehende Technik mit der Körpertemperatur, Plus, etc. überwacht werden können. Sicherlich können das auch jegliche Leistungs- und Hobby-Sportler:innen, aber ich würde behaupten, die Profis kennen ihre Körper und Grenzen besser und können ihre Leistung und Reaktionen besser einordnen. Aber in einem Rennen um den WM-Titel können diese Faktoren auch ignoriert werden und dann liegt es auch am Umfeld diese Menschen zu schützen. Schlussendlich sind sie, je mehr sie an die Grenzen gehen, weniger entscheidungs- und handlungsfähig, weil sie eben an oder über ihren Grenzen sind.


 

Was passiert, wenn wir an unsere Grenzen stossen?

Schon seit Längerem stelle ich mir die Frage, ob das reine und einzige Ziel, Grenzen zu verschieben, wirklich ein lohnendes Ziel ist. Und mit was wird das Erreichen dieses Ziels belohnt?

 

Ich persönlich bin der Meinung, dass das Erreichen dieses Ziels vielleicht auch eine Niederlage ist und nicht nur ein Gewinn. Was ist, wenn ich jahrelang meine Grenzen immer wieder verschiebe und dann plötzlich an dem Punkt bin, an dem das Limit erreicht ist und es einfach nicht mehr weiter geht? Ist man dann glücklich und stolz und zufrieden? Oder ist man enttäuscht, ernüchtert, desillusioniert? Oder ist man an diesem Punkt gar verletzt, krank oder sogar tot?


 

Den Horizont erweitern vs. Grenzen verschieben

In der heutigen Zeit und Gesellschaft ist nicht nur das Thema «Grenzen verschieben» scheinbar omnipräsent, sondern auch das Thema Mindset. Nicht zuletzt ist das definitiv ein Thema mit dem ich mich, u.a. wegen meinen Coaching-Tätigkeiten, vertiefter und intensiver auseinandersetze. Wobei ich persönlich der Meinung bin, dass ein positives Mindset ein sehr wichtiger Punkt im Gesamtkontext ist und nicht der einzige Grundsatz, um erfolgreich zu sein. Ich unterstütze die Meinung nicht, dass das richtige Mindset reicht, um alles im Leben zu erreichen das man sich wünscht oder avisiert. Das ist zu kurz gegriffen und zT. einfach auch unrealistisch. Aber: ohne ein entsprechendes Mindset geht es nicht.

 

Aus der Sichtweise des Mindset, gefällt mir die Überlegung und Darstellung von «Grenzen» nicht, denn das widerspiegelt für mich eine Grundhaltung von Limiten und Einschränkungen. Mir persönlich gefällt der Gedanke eines Horizonts besser den ich dann ständig erweitern kann. Wenn ich dies dann in zwei Aussagen formuliere, dann wird für mich der Unterschied noch deutlicher:


 

Ich bin an meine Grenzen gestossen. Ich habe meine Leistungsgrenze erreicht.

 

vs.

 

Ich habe meinen Leistungshorizont erweitert.


 

Wenn ich meinen Leistungshorizont erweitert habe, heisst das einerseits, dass ich natürlich auch an Grenzen gestossen bin, aber diese liegen weiter weg als die vorherigen Grenzen, denn ich habe meinen Leistungshorizont erweitert. Wenn ich mir dies so überlege, dann hinterlässt der Horizont bei mir bessere und positivere Gefühle als die Leistungsgrenze.


 

Die Limiten des Horizonts

Ich muss aber auch anerkennen, dass Grenzen mehr Orientierung bieten als der Horizont. Grenzen sind zwar eine Limitierung, aber eben auch eine Referenz und darauf kann ich immer wieder zurückkommen. Währenddessen der Horizont eben keine genaue Orientierung bietet und es keine Referenzpunkte gibt. Und wie will ich Fortschritt messen, wenn es keine Referenzwerte gibt. Und wie will ich Ziele setzen, wenn ich den bisherigen Grenzwert nicht kenne. Das heisst, der Gedanke rund um den Horizont ist schlussendlich vielleicht nicht zielführend. Wenn ich das Thema Grenzen im Fokus habe, kann ich im Vorneherein planen. Wenn ich mich am Horizont orientierte, dann bleibt mir nur der nachträgliche Vergleich und Rückblick und somit ist das Erweitern des Horizonts vielleicht mehr ein Zufallsprodukt als ein fixes Ziel und ein Plan.


 

Grenzen für Leistungsorientierte, Horizonte für Ressourcen- und Gefühlsorientierte MENSCHEN?

Vermutlich wie meistens im Leben, gibt es zu diesen Themen abschliessend wohl kein Patentrezept, kein «one size fits all». Gerade Profi- und Leistungssportler:innen werden sich weiterhin an Grenzen orientieren und sich basierend darauf neue Ziele setzen. Für andere, weniger ambitionierte Sportler:innen, oder auch Sportler:innen die Erfolg nicht (nur) mit einer Zeit oder einem Rang, sondern auch mit Gefühlen, Emotionen, Fähigkeiten, Ressourcen, etc. messen, kann das Horizonte-Prinzip vielleicht einerseits Antwort, andererseits auch Entlastung sein.


 

Bewusstsein und Reflexion

In einer abschliessenden Betrachtung ist vielleicht weniger wichtig oder wir Grenzen oder Horizonte erweitern wollen, sondern die Auseinandersetzung damit, weshalb wir etwas tun. Dass wir uns bewusst sind und werden, weshalb wir nach etwas streben, weshalb wir in eine Sache so viel Zeit investieren, wie wir davon profitieren und dadurch wachsen können.

 

Für mich persönlich ist diese Reflexion und Auseinandersetzung wichtig. Für andere Menschen erscheint dies vielleicht unnötig.

 

Schlussendlich geht es auch nicht nur darum Grenzen zu verschieben, sondern auch Grenzen zu setzen und sich abzugrenzen. Für mich selbst ziehe ich diese Grenze dort, wo es nur darum geht einem Trend zu folgen. Und egal wie man es dreht und wende, auch ich komme schlussendlich nicht um das Thema «Grenzen» rum, denn irgendwo und irgendwie spielt es wohl, bewusst oder unbewusst, auch immer eine Rolle. Für den Moment werde ich mich weiter meinen Horizonten widmen, während dem ich meine Leistungen erbringe, die auch mich sicherlich temporär an meine Grenzen bringen.


Horizonte
Horizonte

Kommentare


Dieser Beitrag kann nicht mehr kommentiert werden. Bitte den Website-Eigentümer für weitere Infos kontaktieren.
KONTAKT

Mind. Set. Go. - Coaching & Consulting

Eliane Zimmermann

Rütihubel 4

6242 Wauwil

Schweiz

​​

Tel.: +41 79 932 32 25

info@mind-set-go.ch

  • Whatsapp
  • Instagram
  • LinkedIn

Impressum     Datenschutz     AGB

© 2024 Mind. Set.Go. Mental Coaching. Erstellt mit Wix.com

Danke für die Nachricht!

bottom of page